Inflationsrückgang im Euroraum stockt - Dennoch Zinswende im Juni erwartet

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Frankfurt (Reuters) - Die Inflation in der Euro-Zone ebbt nach Monaten des stetigen Rückgangs vorerst nicht weiter ab.

Volkswirte halten dennoch eine Zinswende der EZB im Juni für wahrscheinlich. Die Verbraucherpreise legten im April in der 20-Länder-Gemeinschaft wie schon im März um 2,4 Prozent binnen Jahresfrist zu, wie das EU-Statistikamt Eurostat am Dienstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Ökonomen hatten das erwartet. Seit Dezember ist die Teuerung damit erstmals nicht weiter gesunken. Das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent, die sie als optimales Niveau für die Wirtschaft ansieht, bleibt aber in Reichweite.

Angesichts höherer Energiepreise und einer anziehenden Inlandsnachfrage werde die Frage nach der Richtung der Inflation immer lauter, kommentierte der Volkswirt Bert Colijn vom Bankhaus ING die Daten. "Dennoch sind wir der Meinung, dass das wirtschaftliche Umfeld günstig genug ist für eine Zinssenkung im Juni, und erwarten, dass die EZB danach datenabhängig sein wird." Aus Sicht des Börsenstrategen Matthew Ryan vom Finanzhaus Ebury hat die EZB der Börse ihre Intention klar gemacht, auf ihrer nächsten Zinssitzung im Juni erstmals die Zinsen zu senken. "Und wir halten es für unwahrscheinlich, dass die heutigen Daten ausreichen, um die Pläne des EZB-Rats zu durchkreuzen."

Laut Johannes Mayr, Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz, begrenzt der nur noch langsam nachlassende Preisdruck den Spielraum für Zinssenkungen. "Eine Senkung im Juni scheint aus EZB-Sicht zwar ausgemacht, zahlreiche weitere Lockerungen scheinen aus heutiger Sicht aber wenig realistisch", sagte er. Am Geldmarkt wird die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im Juni derzeit mit rund 70 Prozent taxiert.

KERNRATE SINKT WEITER

Die Kerninflation, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert bleiben, sank im April auf 2,7 Prozent nach 2,9 Prozent im März. Volkswirte hatten allerdings einen deutlicheren Rückgang auf 2,6 Prozent erwartet. Die EZB hat dieses Inflationsmaß besonders im Blick, weil es zugrundeliegende Preistrends klarer widerspiegelt.

Die neuen Daten zur Inflation in der Euro-Zone und in Frankreich, wo die Teuerung im April ebenfalls bei 2,4 Prozent lag, bestätigten die Zuversicht, dass die EZB Anfang Juni beginnen könne, die Zinsen zu senken, teilte Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn am Dienstag mit. Die nächste Zinsentscheidung der EZB steht am 6. Juni an. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte jüngst, sollte kein zusätzlicher Schock auftreten, werde es an der Zeit sein, in angemessen kurzer Frist die restriktive Geldpolitik abzuschwächen. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos erwartet, dass der Verbraucherpreisanstieg in den nächsten Monaten um die aktuellen Niveaus herum schwanken wird. Er rechne mit einem holprigen Inflationspfad bis zum Jahresende, wie er am Montagabend in London sagte. Insgesamt bewege sich die Inflationsdynamik in die richtige Richtung.

Die Energiepreise gingen laut Eurostat im April binnen Jahresfrist um 0,6 Prozent zurück. Im März waren sie um 1,8 Prozent gesunken. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak nahmen dagegen um 2,8 Prozent zu nach einem Anstieg von 2,6 Prozent im März. Industriegüter außerhalb des Energiesektors verteuerten sich um 0,9 Prozent nach zuvor 1,1 Prozent. Die Preise für Dienstleistungen, die die EZB aktuell besonders im Fokus hat, nahmen um 3,7 Prozent zu. Das ist das erste Mal seit November, dass sich der Preisanstieg bei den Dienstleistungen abgeschwächt hat. In den vergangenen Monaten verharrte die Inflation im Dienstleistungssektor bei 4,0 Prozent.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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